"TTIP und Co. sind prinzipiell abzulehnen"
DKP stellt Antrag gegen TTIP, CETA und TiSA im
Heidenheimer Gemeinderat - Interview mit Reinhard Püschel, DKP-Stadtrat in Heidenheim a. d. Brenz

UZ: Ihr habt zur Haushaltsberatung einen DKP-Antrag unter dem Titel "Ablehnung TTIP, CETA und TiSA" an den Gemeinderat der Stadt Heidenheim gestellt. Wieso ein Antrag an die Kommune, wo TTIP, CETA und TiSA doch zwischen der EU und den USA verhandelt werden?

Reinhard Püschel: Bei TTIP, CETA und TiSA handelt es sich um eine neue Generation von Handelsverträgen, die gravierende Auswirkungen auf die verbliebene Gestaltungsmacht der Kommunen haben. Viele hart erkämpfte soziale und ökologische Errungenschaften gelten für Konzerne als Handelshemmnisse. Mit den Abkommen wollen sie diese loswerden. Denn das "frei" in Freihandel bedeutet: Frei von demokratischer Kontrolle, frei von Regulierungen, frei von allem, das einem guten Geschäft im Weg steht. Bei dem zusätzlichen Investitionsschutz geht es nicht nur um den Schutz des Privateigentums, sondern auch um den Schutz der erwarteten Profite, die sich nach einer Investition einstellen sollen. In der Folge werden Kommunen es sehr schwer haben, ihre ureigenen Aufgaben selbst zu regeln.

Im Juni 2014 haben 16 Bürgermeister des Kreisverbandes Roth des bayerischen Gemeindetages einen Beschluss gegen TTIP, CETA und TiSA gefasst. Darin wird deutlich formuliert: "Diese Art von Verträgen stellen einen massiven Eingriff in unsere kommunale Gestaltungshoheit und unsere kommunale Selbstverwaltung dar". Wir, die Heidenheimer DKP, haben diesen vierseitigen Beschluss in unserem Antrag fast wörtlich übernommen mit dem Ziel, dass auch der Heidenheimer Gemeinderat den Mut aufbringen sollte, sich zu diesem Thema klar zu positionieren. Die Kommunen haben durch diese Freihandelsabkommen nichts zu gewinnen.

UZ: Gibt es Reaktionen auf euren Antrag bei den anderen Stadtratsfraktionen?

Reinhard Püschel: Der Heidenheimer Oberbürgermeister hat z. B. wiederholt die Auffassung vertreten, dass der Wohnungsbau keine kommunale Aufgabe sei. Die Stadträte von CDU und SPD haben dieser Auffassung nie widersprochen. Entsprechend werden private Investoren bei Wohnungsbauprojekten bevorzugt: z. B. die Stadtwerke. Sie sind zwar Eigentum der Kommune, aber sie wurden zur Aktiengesellschaft umgebaut, auch hier beschneidet sich der Gemeinderat selbst, weil er nun kaum noch Einfluss auf die Geschäftspolitik nehmen kann.

Deshalb rechne ich trotz einer wachsenden Skepsis gegenüber TTIP auch innerhalb der SPD nicht mit einer Zustimmung zu unserem Antrag gegen TTIP im Gemeinderat. Am 15. September habe ich diesen an Stadtverwaltung und Fraktionen verschickt, und bisher gab es nur eine Anfrage aus den Reihen der SPD. Auf Nachfrage bei einigen Grünen musste ich mir anhören, sie hätten sich noch nicht so richtig mit dem Thema beschäftigt. Bei der CDU sind die Verhältnisse noch klarer: die CDU steht hinter TTIP, hinter der Logik des Freihandels. Sie vertritt auch bei uns in der Kommune vor allem die Interessen des Kapitals.

UZ: Nun haben wir gerade ein Wochenende voller Aktionen gegen TTIP und CETA hinter uns, europaweit wurden Unterschriften gesammelt. Wie schätzt du die Wirksamkeit dieser Aktionen ein?

Reinhard Püschel: Unser Antrag auf kommunaler Ebene kann nur Wirkung entfalten, wenn die darin formulierte Ablehnung auch auf die Straße getragen wird. Als Mandatsträger kommt uns die Aufgabe zu, die Proteste zu unterstützen und sie in die Parlamente zu tragen. Gerade diese großen Aktionen, wie sie letztes Wochenende stattgefunden haben, sind enorm wichtig. Auch für uns als DKP ist es eine gute Gelegenheit, Flagge zu zeigen, zu zeigen, wofür wir stehen. Im Rahmen dieser Aktionen wird dann auch mal ein DKP-Infostand gegen TTIP in der Zeitung angekündigt, wie letzte Woche in Heidenheim geschehen.

UZ: Was ist an den Abkommen deiner Meinung nach besonders problematisch?

Reinhard Püschel: Besonders problematisch ist in den Abkommen zum Beispiel der Investitionsschutz. Hier sollen Schiedsverfahren und ein so genannter "Regulatorischer Rat" die Interessen der großen Konzerne absichern, auch gegen eventuelle Einflussnahme von Seiten des Gesetzgebers. Profiterwartungen werden über eine demokratische Kontrolle gestellt. Damit verlieren die Parlamente auf allen Ebenen an Gestaltungsmöglichkeit, nicht nur auf kommunaler.

Versuche der Einschränkung demokratischer Rechte hat es in der Vergangenheit immer wieder gegeben und leider auch erfolgreich, in diesem Fall ist er allerdings besonders massiv.

Im nächsten Jahr werden es 40 Jahre, die die DKP im Gemeinderat von Heidenheim vertreten ist, und immer wieder haben wir Anträge formuliert, die eine Beschneidung demokratischer Einflussmöglichkeit verhindern sollten.

Diese Anträge wurden vom Gemeinderat immer abgelehnt. Dazu gehörte auch unser Antrag zu einer Aussetzung des Schuldendienstes der Kommune, das so genannte "Zinsmoratorium". Damit wollten wir die Kommune finanziell entlasten und eine Diskussion in Gang bringen darüber, was die Kommune eigentlich gestalten will und nicht nur, was sie eventuell noch bezahlen kann.

Auch unser Antrag zur "Steuer gegen Armut" - also zur Einführung einer Vermögenssteuer - wurde abgelehnt mit dem Hinweis, so etwas sei keine Angelegenheit der Gemeinde. Selbstbeschneidung ist leider ein Merkmal unserer heutigen Politik. Der Kampf dagegen ist ein Merkmal der DKP-Politik im Rat. Daran knüpfen wir jetzt an, wenn wir uns gegen die Freihandelsabkommen wehren.

Übrigens: die angebliche "fehlende Zuständigkeit" hat den Gemeinderat nicht daran gehindert, einem Antrag zum Milliardengrab Stuttgart 21 zuzustimmen.

UZ: Siehst du noch Möglichkeiten der Einflussnahme auf die Verhandlungen, die ja geheim geführt werden und wie geht es weiter nach dem Aktionstag gegen TTIP und Co.?

Reinhard Püschel: TTIP, CETA und TiSA gehen insgesamt in die falsche Richtung, deshalb setze ich nicht auf eine Veränderung der Abkommen, sondern auf eine prinzipielle Ablehnung. Wir müssen jetzt alle Möglichkeiten nutzen, um an die Öffentlichkeit zu gehen, an Aktionen teilnehmen oder sie initiieren, aber eben auch: Beschlüsse herbeiführen. Die Diskussion um die Freihandelsabkommen gewinnt an Fahrt. Wir müssen uns dafür einsetzen, dass sie auch zu sichtbaren Ergebnissen führt, in den kommunalen Parlamenten, in denen wir vertreten sind, aber auch in Gewerkschaften, Bündnissen, Initiativen, usw. in denen Genossinnen und Genossen der DKP vertreten sind. Und dann müssen wir einfordern, dass diese Beschlüsse offensiv nach außen vertreten werden: vom Mitglied oder Mandatsträger bis hin zum Oberbürgermeister einer Gemeinde, die sich gegen TTIP und Co. ausgesprochen hat.

Es ist an der Zeit, sich klar zu positionieren und zu sagen: diese Verhandlungen zwischen den USA und der EU sind nicht in unserem Interesse, sie müssen abgebrochen werden und zwar sofort. Denn die Idee hinter diesem Freihandel ist die Vergrößerung der Gewinne der Konzerne auf Kosten der Menschen.

Das Gespräch führte
Lars Mörking

UZ, 17.10.2014

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