Johann Holzheu
Rede zum Tag der Befreiung am 08. Mai 2018 am Rathaus in Heidenheim

Ich freue mich, dass ihr den Tag nicht im Alltag versinken lasst. Wir gedenken des Endes des 2. Weltkriegs und der Befreiung vom Faschismus am 8. Mai 1945

Nach Jahren der Unterdrückung, der Folter und des Mordes, die beispiellos in der Geschichte sind, konnten die Menschen in Europa und den Republiken der Sowjetunion aufatmen. Millionen von Menschen hatten im Lauf der faschistischen Eroberungskriege ihr Leben lassen müssen. Jetzt hörte wenigstens das Morden auf, wenn auch in Asien erst im August 1945 nach dem Abwurf zweier Atombomben, bei denen auch Hunderttausende ihr Leben lassen mussten.

Neben der Vernichtung des Bolschewismus, die der Braunauer der deutschen Industrie versprochen hatte, das heißt Völkermord im Osten, haben die Faschisten und ihre willigen Helfer die skrupellose, kalte, bürokratische Ermordung von Millionen Juden, Behinderten, Sinti und Roma und Gegnern durchgeführt. Die Sowjetunion hatte 27 Millionen Tote zu beklagen, von denen 14 Millionen Zivilisten und 13 Millionen Soldaten waren. In Frankreich kamen viele Mitglieder der Résistance ums Leben, in Italien Mitglieder der Partisanen, die gegen die Faschisten kämpften.

Weite Teile der Welt lagen in Trümmern. Aber überall wurde der 8. Mai als "Tag der Befreiung" gefeiert, die Menschen tanzten auf den Straßen.

Im Westen Deutschland war der Tag lange Zeit ein Tag der "Katastrophe", des "Untergangs". Antifaschismus in der DDR wurde als "verordneter" Antifaschismus verunglimpft.

Die Millionenzahlen sind nur schwer zu begreifen, der Terror fand in jeder Gemeinde statt, die Opfer haben Namen und sind Mitbürger ihrer Zeitgenossen gewesen.

Wir stehen hier am Gedenkstein für Heidenheimer Opfer des Faschismus. Er ist im Vergleich dieser Stadt zu Europa ein Beispiel für die Gegner und Feindbilder der Faschisten. Es handelt sich um Juden, Kommunisten, Gewerkschafter, Naturfreunde und den Mann, der den Braunauer umbringen wollte, Georg Elser. Auf dem Stein sind verzeichnet

Adolf Cahn - er war 1925 in Heidenheim, wohnte dann in Stuttgart, wo er am 7.1.42 verhaftet wurde.

Zwei Monate später kam die Nachricht "in Mauthausen verstorben". Im Totenschein steht "auf der Flucht erschossen".

Hans Jontofsohn wurde am 28.11.41 nach Riga deportiert, das Ghetto wurde liquidiert.

Hugo und Rosalie Jontofsohn (68 und 60 Jahre alt) wurden am 22.8.42 nach Theresienstadt deportiert, von dort nach Treblinka, wo sie vermutlich am 1.10.42 in der Gaskammer umgebracht wurden. Interessant ist, daß die Stolpersteine für die Familie Jontofsohn in Schnaitheim schwarz übermalt wurden, damit sie im Asphalt nicht so auffallen.

Sophie Klau wurde am 4.4.42 nach Piaski bei Lublin deportiert, das Lager wurde ab Oktober 42 liquidiert. Sophie Klau wurde 1949 auf den 31.12.42 für tot erklärt.

Ernst Maier kam im KZ Flossenbürg ums Leben, er war dort wegen Äußerungen gegen den Krieg.

Heinrich Talmon-Gros - Gewerkschaftssekretär, wurde schon im März 1933 auf den Heuberg gebracht und erst am 19.12.33 entlassen. 1936 wurde er wieder verhaftet und ins KZ Dachau eingeliefert. Dort wurde er am 20.2.45 ermordet. In Schorndorf erinnert ein Stolperstein an ihn.

Hermann Weil stand 1919 und 24 im Adressbuch, 33 nach Frankreich emigriert, 43 deportiert.

Heinrich Weiss kam in Buchenwald ums Leben, er hatte sich der Gleichschaltung des Freiluftvereins Heidenheim widersetzt.

August Joos - leider habe ich keine weiteren Daten über ihn, aber er war in der Arbeiterbewegung.

Arthur, Jenny und Wilhelm Metzger - 28.11.41 nach Riga Jungfernhof deportiert. Sie wurden 1947 für tot erklärt.

Auf dieser Tafel steht auch der Mann, der den Krieg verhindern wollte, Georg Elser, er wurde am 9. April 1945 im KZ Dachau ermordet.

Und es ist der Kommunist Ludwig Kentner genannt, schon 1920 als "Rädelsführer" im sog. Kirschenkrieg aktiv, daraufhin längere Zeit inhaftiert, die Nazis haben ihn 1944 in Buchenwald ermordet.

Außer den auf diesem Stein genannten Opfern des Faschismus gibt es noch andere Opfergruppen, was man sich für das doch kleine Heidenheim von damals, (ca. 27000 Einwohner), kaum vorstellen kann. Es müßten viel mehr Namen auf dem Gedenkstein stehen.

So gibt es auf dem Totenbergfriedhof Gräber von Zwangsarbeitern aus der Sowjetunion, aus Polen, aus Frankreich, die hier gestorben sind. Ende April 45 wurden hinter dem Altenheim Damaschkestraße zwei sowjetische Kriegsgefangene erschossen, ihr Grabmal ist auf dem Totenberg.

Auf den Grabsteinen der sowjetischen Toten waren nach dem Krieg Tafeln angebracht mit dem Text: "In deutscher Naziknechtschaft zu Tode gequält". Diese Tafeln wurden wahrscheinlich illegal "entfernt". Dies wollte die ehrenwerte Gesellschaft nicht auf sich sitzen lassen - aber woran sterben denn junge Menschen von 17 bis 47 Jahren?

Schweier nennt Tuberkulose, Lungenentzündung, Herz- und Kreislaufversagen. Sind das nicht Folgen mangelnder Versorgung und ärztlicher Betreuung? Wurden sie also nicht doch durch Arbeit bis zum Tod umgebracht?

Euthanasie

Eine weitere Gruppe von Opfern der unmenschlichen Nazi-Ideologie waren Behinderte. Aus dem Kreis Heidenheim hat Alfred Hoffmann 36 Menschen eruiert, die in Grafeneck, Zwiefalten, Weißenau, Stetten und Hadamar umgebracht wurden.

Es gab also mehr Opfer der Diktatur, als gemeinhin bekannt, keines soll vergessen werden.

Dieses System war unmenschlich und verbrecherisch. In das Grundgesetz wurde der Artikel 139 geschrieben, der die Auflösung und Verbot von Nachfolgeorganisationen der Nazis gebietet.

Das heißt, Parteien, deren Ideologie wieder zu Hass, Morddrohungen und Mord führt, sind zu verbieten.

Seit 1990 haben Neonazis rund 200 Menschen in der Bundesrepublik umgebracht, reicht das nicht, sie zu verbieten?

Wir müssen uns aber auch gegen die Entwicklung nach rechts in Europa wenden. In Ungarn erstarken faschistische Gruppierungen, in Italien mischt Berlusconi auch wieder mit, aber auch deutsche Politiker schüren Vorurteile, wenn sie gegen Wirtschaftsflüchtlinge zu Felde ziehen, die den deutschen Sozialstaat ausnutzen wollen.

Seit der letzten Bundestagswahl sitzen mehr als 90 Abgeordnete der AfD im Bundestag, von denen einige den Holocaust leugnen, Gauland will das Land zurückerobern. Ehring von extra3 sagte am 24.4.18 im Fernsehen in Bezug auf Holocaustleugner, er wußte gar nicht, dass es so viele "idiotische Arschlöcher" gebe.

Es gilt, den Schwur der Häftlinge von Buchenwald wahr zu machen, den sie im April 1945 ablegten:

"Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel".

Dieser Schwur wurde leider nie Wirklichkeit, kurz nach dem Krieg saßen alte Nazis wieder in Regierungsstellen, 10 Jahre nach dem Ende des Kriegs bauten alte Nazigenerale wieder Militär auf. Auch jetzt gibt es immer noch nicht die Friedensdividende, sondern die Verantwortlichen wollen Millionen und Milliarden mehr für Rüstung. Die Soldaten der Nato stehen mit deutscher Beteiligung an den Grenzen Russlands. Glaubst Du, der Russe will uns angreifen? So wie 1914 und 1941?

Unsere Politiker haben das Vokabular der Unmenschen gut gelernt, Krieg in aller Welt zu führen, heißt jetzt "Verantwortung übernehmen", andere Menschen totzuschießen heißt "Friedensdienst".

Wenn wir ihnen nicht in den Arm fallen, werden der Imperialismus und sein geschäftsführender Ausschuss, die Regierung, die Menschheit und den Erdball zugrunderichten.

Wir müssen über den deutschen Imperialismus aufklären, diese Hybris, am deutschen Wesen solle die Welt genesen, hat schon zweimal zu ungeheuren Kriegen geführt. Wir müssen die Scheinheiligkeit aufdecken, mit der von Atomwaffen auf deutschem Territorium abgelenkt wird. Wir müssen den Irrsinn benennen, dass Politiker und Wirtschaftsmanager die Rente in naher Zukunft nicht mehr für finanzierbar erklären, während für die Rüstung enorme Milliardenbeträge gefordert werden.

Fordern wir eine soziale und friedliche Politik und ein Ende der Armutspolitik durch Hartz IV und Mindestlohn. Es kann nicht sein, dass in einem der angeblich reichsten Ländern der Erde Millionen von Kindern in Armut leben, dass Millionen von ihrer Arbeit nicht leben können und auf Zuschüsse angewiesen sind.

Auch das Recht auf angemessenes und finanzierbares Wohnen rückt immer weiter in den Hintergrund.

Im Jahr des 200. Geburtstags von Karl Marx wird es immer deutlicher, dass die Folgerung aus seinen Schriften zutrifft, wonach der Kapitalismus nicht in der Lage ist, den Menschen ein gutes Leben zu gewährleisten. Das Profitinteresse verhindert das.

Arbeiten wir dafür, dass die Interessen der Menschen in den Vordergrund treten.

Vielen Dank!

Quellen:

  • Alfred und Dagmar Hoffmann, Drei Schritt vom Leib
  • Alfred Hoffmann, Keine Volksgenossen
  • Alfred Hoffmann, Von Tätern und Opfern
  • Alfred Hoffmann, Von Opfern und Tätern
  • Staatsarchiv Ludwigsburg, Listen vom Totenbergfriedhof Heidenheim

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